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Jeder Weg beginnt mit dem ersten Schritt

 

Berlin – Wien

 

Meine erste Tour des Projekts "Nach Hause gehen" ist der Lebensweg meines Großvaters. Er ist in Berlin geboren, wo ich meine Tour starte. Auf dem Weg verbinde ich die Orte an denen er gelebt hat und einige schöne Weitwanderwege, darunter einige der schönsten Weitwanderwege Deutschlands: Harzer-Hexen-Stieg, Rennsteig und Goldsteig.

Die gesamte Strecke sollte rund 1600 Kilometer betragen. 

1. Etappe: Berlin bis in den Harz (ca. 300 km)

Von Berlin aus ging es zunächst in südwestlicher Richtung durch Brandenburg. Die Landschaft flach, geprägt von Kiefernwäldern, Seen und weiten Feldern. Ich schlief oft wild, manchmal auf kleinen Zeltplätzen oder Campingplatzen. Die Dörfer wirkten verschlafen, aber freundlich. In dieser Zeit gab es eine große Hitzewelle in Europa - auch in Deutschland gab es bis zu 40 Grad. Hitze wirkt sich bei mir nicht nur körperlich aus, auch emotional ist es für mich erdrückend. In Magdeburg mache ich deshalb gleich 2 Tage Pause um abzukühlen.

Kurz darauf erreichte ich den Harz – das erste richtige Highlight.

2. Etappe: Harzer-Hexen-Stieg (ca. 100 km)

Der Harzer-Hexen-Stieg führt auf etwa 100 Kilometern von Osterode nach Thale, quer durch den Harz. Der Name stammt von der Harzer Sagenwelt, die voller Hexen, Teufel und mystischer Orte ist – und das merkt man.

Ich startete in Halberstadt, wo ich einen wunderbaren Tag bei einer Freundin verbringe. Ich tauchte ein in dunkle Buchen- und Fichtenwälder. Ich übernachtete in Schutzhütten und spüre die Magie dieses Ortes. Der Weg führte über den Brocken (1.141 m) – die höchste Erhebung Norddeutschlands. Oben habe ich großes Glück: Kein Nebel, kein Wind, keine Kälte. Die Strecke ist hügelig und gut ausgeschildert. Besonders beeindruckend: die Talsperren, die Moore und der urige „Dammgraben“, ein historischer Wasserlauf.

3. Etappe: Durch Thüringen – der Rennsteig (ca. 170 km)

Nach dem Harz wanderte ich durch das Eichsfeld und erreichte den Thüringer Wald – den Startpunkt des Rennsteigs bei Hörschel.

Der Rennsteig ist einer der ältesten und bekanntesten Fernwanderwege Deutschlands – rund 170 km lang und führt über den Kamm des Thüringer Waldes bis nach Blankenstein.

Dieser Weg war anders: sanfte Anstiege, dichte Wälder, alte Grenzsteine und beeindruckende Weitblicke. Ich fühlte mich wie auf einem grünen Dach, fernab vom Rest der Welt. Die traditionellen Rennsteig-Lieder hallten mir im Kopf nach, und ich verstand, warum dieser Weg für viele Ostdeutsche fast eine Pilgerreise ist. Leider ist auch hier - wie im Harz - der Borkenkäfer am wüten.

Ein Highlight: der Große Beerberg, mit 983 m der höchste Berg Thüringens. Ich übernachtete in den Schutzhütten entlang des Weges.

4. Etappe: Fränkische Schweiz und Oberpfalz – der Weg zum Goldsteig (ca. 250 km)

Nach dem Rennsteig ging es weiter südöstlich durch das fränkische Mittelgebirge, vorbei an Burgen, Kalkfelsen und kleinen Dörfern. Die Infrastruktur war spärlicher, aber die Natur dafür umso intensiver. In der Nähe von Marktredwitz traf ich auf den Goldsteig – das letzte große Wegstück vor Österreich.

5. Etappe: Goldsteig – durch den Bayerischen Wald (ca. 400 km)

Der Goldsteig ist einer der längsten und vielfältigsten Qualitätswanderwege Deutschlands. Er beginnt in Marktredwitz und führt über 660 km durch den Bayerischen Wald bis nach Passau – teilweise bis an die tschechische Grenze.

Ich wählte die sogenannte „Nordroute“, die über die höchsten Gipfel des Bayerischen Waldes führt – darunter der Große Arber (1.456 m), der höchste Berg der Region.

Der Weg war anspruchsvoll: steile Anstiege, einsame Wälder, aber auch stille Seen und gut gepflegte Schutzhütten. Ich begegnete einigen anderen Wanderern. Außerdem: Hirsche, Wildschweine, Sonne und der intensive Geruch von Harz und Waldboden.

In Passau, an der Donau, gönnte ich mir eine Pause. Ich war inzwischen über 1200 Kilometer gelaufen. Die Füße angestrengt, der Geist ruhig. Nur noch rund 400 Kilometer bis Wien.

6. Etappe: Donau und der Weg nach Wien (ca. 400 km)

Der letzte Abschnitt führt mich größtenteils entlang der Donau. Ich folgte teilweise dem Donausteig, einem grenzüberschreitenden Wanderweg, der Österreich mit Deutschland verbindet. Ab Linz wurde es deutlich städtischer. Die Landschaft öffnete sich. Weinberge tauchten auf. Die Alpen blinzelten am Horizont.

Die letzten Tage waren ein Spiel aus Müdigkeit und Vorfreude. Ich wollte ankommen – aber auch nicht, dass es endet.

Der letzte Tag meiner Tour ist gleichzeitig der längste. Ich wandere 50km bis Wien, wo mich meine liebsten Freunde bei mir zu Hause in Empfang nehmen. 

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